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Nichts als braunes, vertrocknetes Gras blieb den Kühen auf der Weide von Landwirt Werner Anthes in Greifenhagen (Foto: Werner Anthes)

Auf dem Trockenen

Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels

02.11.2018

Zweimal hat es Landwirt Klaus Feick bereits heftig erwischt - zweimal hat er seinen Bioland-Hof angepasst. Doch die dritte Trockenheit fordert nun ihren Tribut.

Von Marta Fröhlich

"Was für eine Ironie, oder?", bemerkt Klaus Feick mit Blick auf die im dumpfen Rhythmus arbeitenden Scheibenwischer seines Transporters. Fast fünf Monate hat es nicht geregnet in Sachsen-Anhalt. Und ausgerechnet jetzt, als Feick über die Dürre und ihre Folgen sprechen will, setzt der Regen ein. Endlich. Feick, 51 Jahre alt, wacher Blick, strammer Schritt, fester Händedruck, ist einer jener Landwirte, die der Sommer dieses Jahr besonders in die Mangel genommen hat. Der nun zu retten versucht, was noch zu retten ist. Und der doch eine Perspektive gefunden hat, die zwar Opfer fordert, aber zukunftssicher scheint.

Kurz nach der Wende übernahm der gebürtige Hesse mit zwei Freunden einen ehemaligen LPG-Hof in Greifenhagen 50 Kilometer westlich von Halle (Saale). Die Drei hatten eine Vision: ein gemeinsamer Bioland-Hof, vielfältig und ökologisch. Und dazu gehörte für sie ganz selbstverständlich auch Milchviehhaltung. 1994 kamen 70 Rinder zur Milcherzeugung dazu, Ackerland wurde zu Grün- und Weideland umgewandelt. "Kühe müssen auf die Weide", war Feick überzeugt.
Weitere vier Jahre später kam ein drittes Standbein dazu: Feldgemüse in Freiland und Folientunnel. "Davon haben uns schon damals viele abgeraten. Wir liegen im Regenschatten des Harzes. Hier ist es deutlich trockener als im Rest Deutschlands", erklärt Feick. Deshalb entschieden sich die Freunde nach einigen Versuchen mit bis zu 40 Gemüsesorten für Kulturen, die nicht ständig Wasser benötigen, zum Beispiel Chicorée oder Wurzelgemüse wie Rote Bete. Doch dieser Weg sollte steinig werden.

Nachbarfeld im Mai 2018 (Foto: Klaus Feick)

 

Das erste Stolpern kam Ende der 90er-Jahre. Acht Wochen kein Regen im Sommer, die sonst saftig grünen Weiden nur noch braune Flächen. "Das hat uns das erste Mal ins Schlingern gebracht", erinnert sich Feick, "wir mussten Stroh füttern, haben Vieh reduziert. Es war aber schnell klar, dass wir den Betrieb anpassen müssen, um für solche Wetterlagen gewappnet zu sein." Um besser wirtschaften zu können, wurde der Hof aufgegliedert. Werner Anthes übernahm den Landwirtschaftsbetrieb samt Rinderhaltung, Klaus Feick blieb beim Gemüse, seine Frau gründete einen Handelsbetrieb. Anthes stellte bei Teilen seiner Herde die Haltung um.

 

Die Milchkühe zum Beispiel blieben im Stall, der eigens umgebaut wurde. Ein großer Freiluftstall mit Auslauf ersetzte von da an die Weide. Stattdessen brach Feick Grünland wieder zu Ackerland um und baute Luzerne und Kleegras als Futterpflanzen an. "Luzerne ist eigentlich eine sichere Bank, zwei Schnitte im Jahr sind garantiert", erklärt er. Diese Umstellung tat dem Betrieb gut, die restlichen Weideflächen brachten mit der Luzerne genug Silofutter ein, um die Tiere über den Winter in die nächste Frischfuttersaison zu bekommen.

Wasser aus der Hausleitung und Dürrebeihilfen

Bis der Jahrhundertsommer 2003 kam. Wieder herrschten um die zehn Wochen Trockenheit und Rekordtemperaturen. Das war selbst für die angepassten Gemüsekulturen zu viel. Feick musste sich mit Wasser aus Teichen, Hydranten oder der Hausleitung behelfen, nahm sogar die staatlichen Dürrebeihilfen in Anspruch. Und zog auch diesmal Konsequenzen. "Wir haben nochmals die Vielfalt der Kulturen zusammengestrichen, eine Beregnungsanlage gekauft, die Anbauflächen an andere Wasserquellen angedockt", berichtet er. Es war nicht mehr zu leugnen: Die Wetterausschläge nahmen stetig zu. Zwar blieb die Regenmenge im Jahresmittel konstant, doch ein extrem trockener Vorsommer wechselte sich mit Überflutungen ab.

Die Ausrichtung des Hofes behielten die Freunde bei. Weitere 15 Jahre konnten sie mit kleinen, branchenüblichen Aufs und Abs erfolgreich wirtschaften. Noch bis Juni dieses Jahres war alles in Ordnung. Der erste Schnitt im Mai - üblich sind bis zu drei im Jahr - war sogar richtig gut. Da kamen bei den konventionellen Kollegen bereits die ersten Ängste auf. Doch Feick war sich sicher, dass sein gesunder, humoser und stark durchwurzelter Boden genug Wasser aus dem nassen Winter gespeichert hatte. Die Pflanzen sogen die letzten Tropfen aus zwei Meter Tiefe - und dann der Schreck: Im Mai ausgesäter Kohl, Chicorée und Rote Bete keimten zwar, aber wurzelten nicht. Die trockene Erde rieselte durch Feicks Hände.

Der letzte Regen hatte Ostern seine Felder erreicht, der regionstypische kalte, trockene Ostwind nahm den Rest Feuchtigkeit, der noch auf den Feldern lag, mit. Die Dürre traf jetzt auch den Bioland-Bauern. "Anfang Juli dämmerte uns, dass es haarig wird dieses Jahr", erzählt er. Anthes holte die Rinder schon im August von der Weide, weil sie nur noch am Wurzelwerk knabbern konnten. Der zweite Schnitt auf dem Acker fiel komplett aus und damit das Winterfutter. Als klar war, dass beim Feldgemüse ein Totalausfall der Ernte droht, musste Feick seinen zwei Angestellten kündigen. "Ich merkte, dass der Teil, den ich beherrschen kann, immer kleiner wurde", fasst er zusammen. Und traf eine schwierige Entscheidung.

Vom Freilandgemüse zur Molkerei

Bereits seit vielen Jahren spielten Feick und Anthes mit dem Gedanken, eine eigene Molkerei aufzubauen, um nicht von großen Herstellern abhängig zu sein. "Die Dürre wirkte da wie ein Beschleuniger", beschreibt es Feick. Es gab nur zwei Wege: Entweder sie setzten weiter aufs Freilandgemüse, stopften mit Krediten die Löcher in der Haushaltskasse und nahmen das Risiko in Kauf, dass die nächste Dürre sie finanziell noch stärker in Bedrängnis bringt. Oder sie schufen mit einer eigenen Molkerei eine neue Perspektive. Feick zog die Reißleine. Er hat das Freilandgemüse aufgegeben, Maschinen verkauft, um die Futterlücken für den Winter mit zugekauftem Futter zu füllen. Denn das Silo, in dem eigentlich das Futter lagert, ist jetzt schon zu drei Vierteln leer.

Zugekaufte Ballen mit Viehfutter (Foto: Marta Fröhlich)

 

Ein Ungetüm von Trecker drückt sich an dem gähnend leeren Silo vorbei, vorn auf der Gabel schaukelt ein praller Heuballen rüber zu weiteren gut zwei Dutzend Ballen konventionelles Futter, das die Landwirte mit einer Sondergenehmigung dazugekauft haben. Sie pachteten auch eine weitere Fläche Grünland und stellten sie direkt auf Bioland um - auch perspektivisch eine wichtige Futterquelle. Befreundete Bauern halfen mit ein paar Ballen aus. "Für den Winter sind wir gerüstet", sagt Feick. Doch erleichtert wirkt er kaum. Denn der bange Blick geht ins neue Jahr. "Es muss jetzt so wie heute weiterregnen - jeden Tag bis ins Frühjahr. Sonst läuft der Boden nicht voll. Dann wird das nächste Jahr noch schlimmer als dieses", vermutet Anthes, der mit einem Satz vom Trecker auf den schlammigen Boden vor den Silos gesprungen ist und kritisch von den großen Freiluftställen auf die überschaubaren Vorräte schaut. 250 Tiere muss er durchbringen, reduzieren will er nicht. "Weiß der Geier, wo die dann hinkommen und was mit ihnen passiert. Das will ich einfach nicht", versichert er in breitem Hessisch.

Trotz aller Sorgen: Ihre Wirtschaftsweise nach Bioland-Richtlinien hat den Landwirten diesen Sommer einen Aufschub verschafft. "Wenn der Boden gut in Schuss ist, haben wir klare Vorteile", weiß Feick. Deshalb steht er weiterhin fest hinter dem Ökolandbau. "Als System ist das die einzige Perspektive, die wir in der Landwirtschaft haben", ist er sich sicher. "Doch irgendwann brauchen wir nun mal alle Wasser."

 

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